Ein Tier mag wirtschaftlich nur wenig
wert sein. Wenn es verletzt wird, kann es sein, dass der Schädiger
Behandlungskosten ersetzen muss, die den Wert des Tieres um ein Vielfaches
übersteigen. Dies unterstrich der für Ansprüche aus Tierhalterhaftung zuständige
20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle in einem Urteil vom 15. Februar
2023.
Im Sommer 2019 hatte der damals
24-jährige Wallach des Klägers einen wirtschaftlichen Wert von ca. 300 Euro.
Ein Sachverständiger hat ihn als „Weidekameraden“, der als „Gesellschafter“ für
andere Pferde diene, beschrieben.
Der Wallach floh damals vor einem Hund,
der auf die Pferdekoppel gelaufen war und das Tier bis in den nächsten Ort
verfolgte. Das Pferd stürzte mehrfach und verletzte sich schwer. Die Kosten für
die Operation in der Tierklinik beliefen sich auf mehr als 14.000 Euro. Das
Landgericht Verden hatte die Halterin des Hundes bereits verurteilt, diese
Behandlungskosten zu tragen. Diese ging in Berufung, welche aber vom 20.
Zivilsenat des Oberlandesgerichts zurückgewiesen wurde.
Er hat zuerst entschieden, dass die Hundehalterin den gesamten Schaden ersetzen
muss, obwohl der auch auf den Fluchtinstinkt zurückzuführen war. Das Pferd hat
nicht nur wegen des Erschreckens gescheut und war dann weggelaufen, sondern
wurde von dem Hund über die Koppel, den Weidezaun und wieder auf der Straße bis
in die nächste Ortschaft gejagt. Diese von dem Hund ausgehende Gefahr überwog
den eigenen Verursachungsbeitrag durch das Pferd.
Der Senat hat entschieden, dass die
Behandlungskosten vollständig zu ersetzen sind, obwohl sie den wirtschaftlichen
Wert des Tieres um das 49-fache überstiegen. Aufgrund der Verantwortung des
Menschen für das Tier verbietet sich eine streng wirtschaftliche
Betrachtungsweise. Es sind sämtliche Umstände abzuwägen, unter anderem die
Erfolgsaussichten der Behandlung, das Alter des Tieres und die Beziehung des
Halters zu ihm. Der Wallach war das erste Tier des Klägers, er hatte ihn kurz
nach dessen Geburt gekauft und auf ihm das Reiten erlernt. Auch nach seiner
aktiven Reitzeit hat er ihn weiter behalten und als Beistellpferd genutzt. Das
Tier war vor seinem Unfall in einem sehr guten Zustand.