Wo heute Freizeit- und Sportreiter ihre Pferde unterstellen, befanden sich zuvor häufig Milch- oder Mastviehbetriebe. Kaufen Betriebsleiter einen Nutzviehbetrieb oder entscheiden sich Landwirte dafür, dass eine Reitanlage rentabler ist, stellt sich die Frage, wie sie bestehende Gebäude sinnvoll integrieren und für die Pferdehaltung fit machen können.
Mehr dazu, wie Sie Stallungen umfunktionieren und mit neuer Technik ergänzen und worauf dabei zu achten ist, verraten wir in Ausgabe 01-02/2020 des Profi-Magazins Pferdebetrieb. Was Stallbauer und Ausstatter empfehlen, lesen Sie hier vorab.
Vom Nutztierbetrieb zur Reitanlage
Vor Landwirten, die von Milchvieh- auf Pferdehaltung umsteigen sowie Betriebsleitern, die bestehende Anlagen modernisieren möchten, liegt eine intensive Phase der Planung und die Frage, welche Gebäude sich wie in die Anlage integrieren lassen. Zudem gilt zu prüfen, was baurechtlich erlaubt ist und welche Unterlagen vorliegen. Oberste Priorität auf der Suche in der Vergangenheit haben Baupläne der vorhandenen Gebäude und eingeholte Genehmigungen sowie eine detaillierte Bestandsaufnahme.
Wir haben bei Stallbauern und Ausstattern nachgefragt und folgende Tipps für Betriebsleiter mit Umbauambitionen erhalten:
Was Stallbauer und Ausstatter empfehlen…
Carola Brandt (Schauer Agrotronic): „Wer ein Gebäude abreißen möchte, muss zunächst ganz pragmatisch daran denken, dass dann die Baugenehmigung verfallen kann. Bestandsgebäude lassen sich als Lager- und Liegeflächen nutzen. Hier Fütterungstechnik unterzubringen, ist meist schwierig, weil es zu eng wird. Die Prüfung der Substanz ist wichtig, ebenso die Kostenschätzung, Finanzierung, der Terminplan und die Kommunikation und Bewerbung des Umbauvorhabens. Bestehende Ausläufe lassen sich durch Strukturelemente wie Baumstämme, Grüninseln, Kratzbäume, Kräuterbeete und Wasserstellen in Flächen mit Bewegungsanreizen verwandeln. Bei der Berechnung der Flächennutzung sollte man immer von der für Stallungen nötigen Fläche ausgehen und dann die restlichen Flächen für Sattelkammer oder Reiterstübchen einplanen. In der Halle empfehle ich, in neue, stromsparende Beleuchtungstechnik und einen guten Reitboden zu investieren. Auch das Klima spielt eine große Rolle – eine alte Halle kann man durch Öffnungen in den Seitenwänden, Tore und Windschutznetze freundlicher gestalten. Für das bessere Bearbeiten sind unterfahrbare Banden von großem Vorteil. Kann man diese nachrüsten, ist das ideal.“
Klaus Hartmeyer (Sonntag): „Milchviehbetriebe für die Pferdehaltung umzubauen, ist jedes Mal ein interessantes und spezielles Projekt. Gebäudestruktur und Lageplan müssen erfasst und es muss bewertet werden, wo Platz für Koppeln, Reitplatz, Reithalle oder neue Stallgebäude ist. Für den Stallbauer sind auch die Vorstellungen der Betriebsinhaber sehr wichtig –ebenso wie die Gründe, warum sie auf Pferdehaltung umstellen möchten.“
Thorsten Hinrichs (HIT-Aktivstall): „Jeder Umbau ist ein Einzelfall, in dem die Maße von Gebäuden und Auslaufbereich zunächst zu prüfen sind, damit sie mindestens leitlinienkonform angeglichen werden. Knackpunkte sind häufig Deckenhöhe, Höhenunterschiede zwischen Stall und Auslaufbereich, zu glatte Betonflächen sowie Spaltenbodenflächen mit Güllekeller. Rinderstallungen lassen sich oft sehr gut als Liegeräume nutzen; vorhandene Stützen als Raumteiler. In HIT-Aktivställen ist die Platzierung der automatisierten Fütterungssysteme, Strohraufen und Pferdetränken im Regelfall gut möglich. Die Auslaufbefestigung mit stabilen HIT-Aktivstallmatten ermöglicht ein mechanisches, arbeitssparendes Entmisten. Sind Gebäude zu eng, zu niedrig oder mit Sackgassen versehen, empfiehlt sich ein Abriss. Bei der Renovierung der Halle haben wir gute Erfahrungen mit dem HIT-Active Aqua System gemacht. Das ist eine Unterflurbewässerung für Reitböden. Ihre Bodenraster und Bewässerungsrohre lassen sich auch nachträglich gut in vorhandene Gebäude einbauen.“
Ralf und Andre Laubheimer (Hiwo Systembau): „Bei Umbauten ist es zunächst wichtig, den Bestand aufzunehmen. Dazu gehören statische Berechnungen oder Bestandspläne. Anschließend können wir in die Planungsphase gehen. Um genügend Helligkeit und Frischluft in den Pferdestall zu bekommen, müssen in den Außenwänden genügend Fenster und Paddocktüren geplant werden. Diese lassen sich oft unproblematisch mit einem Durchbruch integrieren. Eine Offenstallhaltung lässt sich in der Regel einfach integrieren. Boxenhaltung ist möglich, es müssen jedoch oft verschiedene Boxengrößen geplant und gefertigt werden. Anbauten an Bestandgebäude lassen sich leicht realisieren. In älteren Reithallen fehlt oft Licht. Eine Echtverglasung (Sicherheitsglas) ist effektiv. Durch Entfernen der Außenverkleidung kann das Lichtband ggf. vergrößert werden. Eine große Aufwertung ist eine Verlängerung der Bestandsreithalle oder einen Longierzirkel.“
Rolf Meyer (Summerwind): „In einer Anlage am Bodensee haben wir nachträglich in der Reithalle einen komplett absenkbaren Spiegel mit den Maßen 28 x 2,12 m verbaut. Das funktioniert natürlich auch mit kleineren Spiegeln. Abdeckungen spart man sich so. Die Idee entstand, da der Betriebsleiter am Bodensee sich den Blick auf den See nicht verbauen wollte. Nach der Anfrage haben wir ein Jahr lang ausprobiert bis wir eine Lösung gefunden haben. Jetzt bewegt die Installation 10 Tonnen und das verzerrungs- und zitterfrei sehr gleichmäßig. Das System ist wartungsfrei.“
Stefan Müller (Reitsport Hörmann): „An erster Stelle steht das Tierwohl. Gerade im Stall sind Licht- und Luftverhältnisse sehr wichtig. Meist kann deshalb bei einem Umbau der Stallungen nur die Grundkonstruktion, also die Gebäudehülle, erhalten bleiben. Futtertische und bestehende Innenstützen lassen sich aber oft integrieren. Nachträglich gut einzubauen sind Lichtfirste, Fenster oder Paddocktüren. Zu einer Reitanlage gehört eine Reit- oder Bewegungshalle. Dazu eignen sich nur freitragende Gebäude mit einen Spannweite von mindestens 15 m, eine Verlängerung ist dann oft kein Problem. Insgesamt sollten auf jeden Fall die Umbaukosten und das Ergebnis einem Neubau gegenüber gestellt werden. Erlaubt es die Statik, ist eine Nachrüstung durch Photovoltaik sinnvoll. Gerade bei Dachsanierungen ist das meist machbar, da sich das Gewicht so insgesamt reduziert. Weitere Nachbesserungen an der Reithalle umfassen Ergänzungen wie Lichtfirst oder zusätzliche Fensterflächen, eine Erneuerung der Reitbande und Tore sowie der Beleuchtung, des Reitbodens und der Installation einer Beregnung mit Wasserzisterne.“
Paul Preuß (GROHA): „Beim Umbau müssen in erster Linie das Tierwohl und die Ansprüche der Einsteller bedacht werden. Bei der Entscheidung für Sanierung oder Neubau stellt sich die Frage nach aktuellen Bestandsplänen, Statik und danach, wie oft bereits an- oder umgebaut wurde. All das macht es schwer zu kalkulieren und unter Umständen riskant, umzubauen. Entsprechend sind Individuallösungen nötig. Ich empfehle ehemalige Rinderställe besser als Maschinenhalle oder als Heulager zu nutzen und Stallanlagen oder Halle neu zu bauen. Bei der Reithalle ist Licht besonders wichtig. Zieht man einen Statiker hinzu, so können die Wandflächen genutzt und offener gestaltet werden. Aber man sollte bedenken: Bei einer Halle, die bereits über 50 Jahre alt ist, bewegen sich Kosten für Gutachten und Planung schnell bei den Kosten einer neuen Halle.“
Autorin: Lisa Freudlsperger