Was haben ein Zucht- und ein HIT-Aktivstall gemeinsam? Bei beiden ist ein durchdachtes Konzept der Schlüssel zum Erfolg. Am 19. und 20. Juli konnten die Teilnehmer der Praxistage des AK Pferd zwei Betriebe mit spannenden Konzepten kennenlernen und bei einigen interessanten Vorträgen neue Erkenntnisse gewinnen.
Für das Team vom AK Pferd sowie für die zahlreichen Teilnehmer der Praxistage bei Augsburg begann der erste Tag um 09:30 Uhr am Reiterhof Zoltingen, der sich im gleichnamigen Ort in Schwaben befindet. Nach ersten angeregten Gesprächen unter den Teilnehmern ging es auch schon los. Junior-Betriebsleiterin Lisa Zoller startete mit einem kurzen Vortrag über ihren Werdegang. Dass sich eine internationale Turnierkarriere mit bis zu 30 genannten Turnieren pro Jahr mit der Betriebsführung, Lehrlingsausbildung, Personalmanagement, dem Beritt und der Arbeit als Reitlehrerin eines eigenen Reiterhofes sehr wohl unter einen Hut bringen lässt, dafür ist Lisa Zoller der Beweis. Im Anschluss wurden die Geschichte, das Konzept und die Werte des Betriebes thematisiert. Der 1978 erbaute Familienbetrieb bietet Platz für rund 60 Pferde, die die Einsteller vor Ort in Beritt geben können. Seit diesem Jahr wird außerdem wieder Reitunterricht in verschiedenen Disziplinen und für alle reiterlichen Niveaus angeboten.
Zucht auf Zoltingen
Warum Lisa Zoller die im Jahr 2013 geschlossene Reitschule trotz einiger Zweifel in diesem Jahr wieder geöffnet und in Betrieb genommen hat, das verriet die Betriebsleiterin noch vor der Stallbesichtigung. Da das Thema Zucht auf dem Reiterhof Zoltingen eine große Rolle spielt, durften zwei der von Familie Zoller selbst gezüchteten Fohlen im Freilauf von den Teilnehmern bewundert werden, bevor dann die Betriebsbesichtigung begann.
Neben der Vorstellung der Trainingsmöglichkeiten wie der Ebbe-Flut-Reithalle, führte Lisa Zoller auch durch die Stallungen. Diese umfassen die Boxen der Schul-, Turnier- und Einstellerpferde und einen Aufzuchtstall. Dort wachsen die Nachwuchspferde gemeinsam als gegenseitige Spielkameraden auf. Lisa Zoller und ihre Mutter Tatjana Zoller, die Senior-Chefin, standen während der gesamten Betriebsführung für sämtliche Fragen zur Verfügung. Authentisch und voller Überzeugung erklärten die beiden ihre Konzepte. Dabei sorgten sie mit ihrer offenen Art für einen regen Austausch und eine angenehme Stimmung unter den Teilnehmern.
Nach all diesen neuen Eindrücken und bevor mit neuer Energie zum zweiten Betrieb aufgebrochen werden konnte, kehrten erstmal alle Teilnehmer für die Mittagspause in eine gemütliche Osteria ein.
Weiter geht’s mit der Pferdepension Schwabhof
Gut gestärkt ging das Programm anschließend in der Pferdepension Schwabhof in Genderkingen weiter. Den Betrieb durften wir bereits 2018 im Rahmen einer Betriebsreportage kennenlernen. Zwei Mitarbeiter des Betriebes, Sebastian Stohr und Leonie Stecker, konnten dank des ausgeklügelten Prozessmanagements die Betriebsführung spontan übernehmen. Damit zeigten sie, dass der Betrieb auch bei Ausfall wichtiger Personen – in diesem Fall der Betriebsleiterin – problemlos weitergeführt werden kann. Selbst wenn Besuch durch andere Betriebsleiter ansteht. Dafür nochmal ein herzliches Dankeschön und ein großes Kompliment vom Team AK Pferd!
Anders als beim Reiterhof Zoltingen liegt der Fokus des Schwabhofs nicht auf der Zucht oder dem Turniersport. Hier werden den Kunden Reitunterricht für Kinder sowie eine Aktiv- und Offenstallhaltung mit viel Bewegung im Herdenverband angeboten. Dafür hat sich der Schwabhof, der sogar rechtlich in die zwei eigenständigen Betriebe Pferdepension und Reitschule aufgeteilt wurde, für das HIT-Aktivstall-Konzept entschieden. Auch der Schwabhof ist in Familienbesitz, die Leitung hat Franziska Schwab im Jahr 2014 übernommen. Die gelernte Realschullehrerin ließ sich über die Jahre immer mehr innovative Ideen für die Reitschule und den Pensionsstall einfallen.
Organisation mit dem Stallbuch
Das Herzstück für die reibungslose Organisation des Betriebes ist das nicht mehr wegzudenkende Stallbuch. In diesem zentral für alle Einsteller einsehbaren Ordner wird alles dokumentiert. Sichtkontrollen, von den Einstellern per Sticker-System verbindlich gebuchte Sonderleistungen wie Medikamentengabe, Koppelzeiten, oder wer welchen Dienst hatte. All das wird täglich im Buch notiert, was bei den Teilnehmern zu einer Mischung aus Begeisterung und Verwunderung führte. Lohnt sich ein so hoher bürokratischer Aufwand überhaupt? Wieviel Zeit kostet das im Tagesgeschäft? Welche Vorteile bringt das System jeweils für den Betrieb, für die Mitarbeiter und die Einsteller? Und warum erfolgt dieses ganze Kommunikationsmodell nicht digital?
All diese Fragen konnten die Pflegepfleger Sebastian Stohr und Leonie Stecker leicht und verständlich beantworten. Außerdem kam die Frage auf, wie gut sich eine Reitschule und ein Pensionsbetrieb vereinen lassen. Darüber hat sich die engagierte Betriebsleiterin Franziska Schwab Gedanken gemacht und ein ausgeklügeltes Konzept entwickelt. Durch verschiedene voneinander getrennte Putzplätze, separate Sattelkammern und zwei verschiedene Reitplätze kann jeder ungestört seinem Hobby nachkommen.
Organisation der Reitschule
Um den Planungsaufwand für die Koordination der wöchentlich 250 Reitschüler möglichst gering zu halten, lassen sich Reitstunden über einen digitalen Kalender buchen oder stornieren. Nach dem Unterricht werden vom Reitlehrer Karteikarten mit Fortschritten, dem Inhalt der Reitstunde sowie dem aktuellen Können der Reitschüler ausgefüllt.
Diese Art der Dokumentation sorgt dafür, dass jeder über alle Reitschüler Bescheid weiß und spontan übernehmen kann, falls jemand ausfällt. Auch auf dem Schwabhof durften die Teilnehmer im Rahmen einer Betriebsbesichtigung die gesamte Anlage inklusive dem HIT-Aktivstall und der Ponypension erkunden. Ausklingen ließen das Team von AK Pferd und die Teilnehmer den lehrreichen Tag bei der gemütlichen Abendveranstaltung im Schlosserwirt in Mering.
Tag 2 der Praxistage: Bioland und Pensionspreise
Am Mittwochmorgen trafen die Teilnehmer zum ersten Mal im „Zuhause“ von Pferdebetrieb und dem Arbeitskreis Pferd, dem Verlagsgebäude der Forum Media Group in Merching, ein. Nach einem erneuten Networking und einem kleinen Frühstücksbüffet startete der zweite Praxistag um 10 Uhr mit einem Vortrag über Bioland-Zertifizierung für Pferdebetriebe. Ruth Schuhwerk vom Anbauverband Bioland erklärte ausführlich worauf bei einer Umstellung im Falle eines Pferdebetriebs zu achten ist. Außerdem verriet sie warum eine Beratung immer unabhängig und vor allem kostenfrei ist. Welche Unterschiede gibt es zwischen „EU-Bio“ und den Richtlinien für eine Bioland-Zertifizierung? Diese und weitere Fragen konnte Ruth Schuhwerk beantworten und den Zuhörern die Bedingungen und Anforderungen sowie den Ablauf für eine Umstellung auf einen Bio-Betrieb näherbringen.
Nach einer kurzen Kaffeepause stand schon die nächste Expertin, Stefanie Arnhard, in den Startlöchern. Die Sachverständige für Reitanlagen und Stallgebäude in der Pferdehaltung, gab mit ihrer Einschätzung und einigen Fakten zum Thema Pensionspreise den Startschuss für eine hitzige Diskussionsrunde. Welche äußeren und inneren Faktoren können den Einstellpreis beeinflussen, wie kalkulieren die einzelnen Stallbetreiber ihre Preise? Wie können Preisänderungen bei den Einstellern kommuniziert werden? Wie regelmäßig und um wie viel erhöhen die einzelnen Betriebe ihre Preise? All das wurde im Laufe der Diskussion besprochen.
Recht und effektive Mikroorganismen
So viel neuer und spannender Input muss erstmal verdaut werden. Also stärkten sich alle schnell mit einem leckeren Mittagessen, bevor es mit dem nächsten Vortrag „Pensionsbetrieb & Verein: Abgrenzung und Win-Win-Situation schaffen“ weiterging. Pferderechtsanwalt Marc Patrick Schneider legte den Teilnehmern die Vor- und Nachteile eines in den Betrieb integrierten Vereins dar. Dabei sprach er über Risiken und Chancen, gab aber auch Tipps zu den Themen Förderung, Versicherung und Haftung. Am Ende seines Vortrags hatten die Teilnehmer einen guten Überblick über die Vereinbarkeit von Pensionsbetrieben und Vereinen.
Eine kurze Kaffeepause später begann der letzte Vortrag des Tages. Tobias Epp von EM Süd, dem Praxispartner der Veranstaltung, brachte den Zuhörern das Thema effektive Mikroorganismen näher. Dabei erklärte er, was effektive Mikroorganismen überhaupt sind, wie und für welche Bereiche sie angewendet werden können und welche Funktionen sie erfüllen. Egal ob Ergänzung im Pferdefutter, als Spray, Einstreu oder Stallreiniger – die milieusteuernden, probiotischen Mikroorganismen helfen dabei, das Milieu im Verdauungstrakt, auf der Haut und in der Umgebung von Pferden nachhaltig zu verbessern.
Fazit
Mit viel interessantem Input, inspirierenden Anregungen und neuen Kontakten im Gepäck verabschiedeten sich die Gäste am zweiten Praxistag und traten die Heimreise an. Und auch für uns gingen zwei spannende und ereignisreiche Tage zu Ende.
Wir bedanken uns für die rege Teilnahme, für den aktiven Austausch, für die Geduld und das Interesse der Teilnehmer trotz außergewöhnlich hoher Temperaturen. Ein besonderer Dank geht an die Betriebsleiter unserer Gastgeberbetriebe sowie an die Referenten. Vielen Dank und hoffentlich sehen wir uns bei den nächsten Praxistagen wieder – seien Sie gespannt! Hier finden Sie alle Informationen und die Anmeldung für die nächste Veranstaltung: https://www.ak-pferd.de