Zwischen Spargelbeeten und Laubwäldern und den Ortschaften Fürholzen und Wolfsberg in Oberbayern liegt der Holzpfeiferhof. Pferdebetrieb hat Betriebsleiterin Sabine Olbrich auf ihrem Hof besucht und erfahren, wie der Betrieb dank Seminarbesuchern statt Einstellern mittlerweile floriert.
Der Parkplatz ist noch leer, der Wind frischt etwas auf. Australian Cattle Dog Jack begrüßt den ersten Besuch an diesem Tag. Ihm folgt Halterin und Betriebsleiterin Sabine Olbrich in der blauen Weste des Holzpfeiferhofs mit einem herzlichen Lächeln. Noch wirkt die Anlage beinahe unberührt, aber am selben Nachmittag steht die Anreise einer Gruppe von Seminarteilnehmern mit ihren Friesen an, die den Betrieb für zweieinhalb Tage vereinnahmen werden. Davon leben Hof und Betriebsleiterin: An Stelle der Einstellerpferde füllen Seminare, Kurse und Fortbildungen den Betrieb für zwei bis zehn Tage mit Leben und zahlenden Kunden. „In diesem Jahr sind wir zum ersten Mal komplett ausgebucht, jedes Wochenende haben wir Veranstaltungen geplant“, berichtet Olbrich stolz. Dabei startete der Hof als ganz regulärer Pensionsbetrieb.
Bewegte Vorgeschichte
Mit dem Holzpfeiferhof stellte sich Olbrich im Jahr 2008 dem zweiten Stall in ihrer noch jungen Laufbahn. Bereits mit 18 Jahren hatte sie einen Pensionsbetrieb mit ihrem damaligen Lebensgefährten übernommen und geleitet. Deshalb wusste sie genau, wie sie beim Projekt Holzpfeiferhof Prioritäten zu setzen hatte: „Ich wusste beim zweiten Stall genau, was ich will und was ich nicht mehr möchte. Die Wasserleitungen waren mir ein großes Anliegen und auch die Stromversorgung auf dem gesamten Gelände, kurze, befestigte Wege und den Mist direkt am Stall zu sammeln.“ Fotografisch wurde der Umbau genau festgehalten. Nach der Erteilung der Baugenehmigung im Frühjahr 2010 wurden Wasserleitungen zu den Koppeln und Stromleitungen für die gesamte Anlage verlegt und große Mengen an Erde bewegt. Direkt im Anschluss begann die Familie mit dem Stallbau.
Im Herbst 2010 zogen die ersten Pferde ein, 2012 war die Reithalle von Binz fertig. Insgesamt standen 12 Einstellerpferde und ein eigenes auf dem Hof. Ein klassischer Pensionsbetrieb im Nebenerwerb mit 15 Boxenplätzen und Koppeln – bis zu dem Tag, als Sabine Olbrich erkrankte und gezwungen war, den Pensionsbetrieb aufzugeben. Sie erinnert sich: „Leider konnte ich zwei Jahre lang keiner körperlichen Tätigkeit nachgehen und musste den Pensionsbetrieb einstellen. Die Arbeitsbelastung war zu groß. Ich konnte mir erst zwei Jahre nach Beginn der Erkrankung die Frage stellen: Wie geht es jetzt weiter?“ Es entstand die Idee, Kurse anzubieten: Reitkurse für Gäste mit ihren Pferden, Kurse zum Trainerassistent und Trainer C. Das war der Start in ein abwechslungsreiches neues Geschäftsmodell: der Pferdebetrieb wurde zum Veranstaltungsort.
Gemischtes Publikum auf dem Holzpfeiferhof
Der Veranstaltungskalender des Holzpfeiferhofs ist bunt gemischt: „Mir ist ganz wichtig, offen für alles zu bleiben und in alle Sparten zu schauen. Von Western bis klassisch, Freizeit- bis Turnierreiter, Hundesportler oder auch fachfremde Sportler sind willkommen. Die Kraftsportler, die im Sommer ihr Bootcamp bei uns haben, lieben den Reining-Boden der Reithalle für ihre Übungen.“ Für die meisten Ausbildungsseminare und Trainerscheine am Betrieb sind Nadine Hartmann und Tine Hummel zuständig. Hinzu kommen Seminarleiter, die ein- bis dreimal jährlich kommen. George Pereira aus Lissabon bietet auf dem Holzpfeiferhof fünfmal jährlich Kurse zu klassischer Dressur. Außerdem gibt es wiederkehrende Veranstaltungen. Das sind zum Beispiel das Bootcamp der Kettle Bell-Sportler im Sommer, das EWU Jugendcamp, den Horse and Dog Trail und Kurse zur Früherziehung von Kindern am Pferd. Es gibt auch Software- Schulungen für Trainer, um nur einige Beispiele zu nennen. Dafür steht auf der Anlage ein Seminarraum zur Verfügung.
Gäste mit und ohne Pferd
Insgesamt schätzt Sabine Olbrich, dass etwa 20 Prozent der Veranstaltungen auf dem Betrieb ohne Pferde, etwa 80 Prozent mit ihnen stattfinden. Die Betriebsleiterin selbst bietet in diesem Jahr acht eigene Kurse an, den Rest des Jahres ist sie „Mädchen für alles.“ Sie erzählt: „Meine Hauptaufgabe ist im Wesentlichen das Organisieren und Planen. Es hilft, ein strukturierter Mensch zu sein. Und natürlich ist eine gewisse Sympathie wichtig – und gutes Essen! Darauf freuen sich schon immer alle Teilnehmer.“ Den Catering-Service übernimmt die Metzgerei Leopold und das Rezept geht auf: „Im kommenden Jahr sind etwa 90 Prozent der Buchungen Wiederholungen aus dem Vorjahr und etwa 10 Prozent neue Gäste. Sie werden meist von Bekannten geschickt und nehmen teils Wege von bis zu 400 Kilometern auf sich.“
Woran das liegt? Olbrich ist sich sicher: „Ein großer Vorteil ist, dass wir keine Einsteller auf dem Hof haben. So sind die Seminarteilnehmer unter sich und zeitlich völlig ungebunden. Das ist vor allem bei Trainerlehrgängen sehr wichtig, da sie die Reithalle den ganzen Tag belegen. Oder auch bei den Voltigier-Trainingsgruppen.“ In einem Pensionsstall würde das vor allem am Wochenende eine Doppelbelastung darstellen. Einen weiteren Vorteil sieht Olbrich in der Stalleinrichtung von Hau: „Wir haben hier nichts behelfsmäßiges, sondern normale Boxen wie in jedem Pensionsstall und das genießen Pferde und Halter.“ Neben den 15 Boxen stehen im Sommer auch Zelte und neun Koppeln auf einer Fläche von 3 Hektar zur Verfügung.
Schwerpunkt Western
Die hohen Banden in der Reithalle und der Reiningboden lassen erahnen: Western steht auf dem Holzpfeiferhof im Mittelpunkt! Einige der Kurse in diesem Bereich umfassen einen Roping-Tageskurs mit Toni Engelbrecht. Außerdem gibt es insgesamt fünf Zweitageskurse von Roger Kupfer und EWU Landestrainerin Andy Schmidt zu Allround Clinic.
Ein besonders Gerät zum Üben bietet Olbrich in Form der Cutting Maschine Pro Cutter 1401 aus den Vereinigten Staaten an. Der Aufbau geschieht in wenigen Minuten. Die Rindattrappe wird an mehreren Punkten fixiert und kann so den Kopf auch unabhängig vom Körper bewegen. Geschwindigkeiten lassen sich manuell direkt an der Maschine oder über eine Fernbedienung vom Reiter selbst einstellen. Mit der Maschine können Reiter und Pferde die Grundbewegung und das korrekte Anhalten beim Cutting und Working Cowhorse einüben. Dabei wird der Hüte- und Spieltrieb der Pferde genutzt. Olbrich berichtet: „Am Anfang ist das oft gruselig für die Tiere, aber auf die Frage „Lauf ich weg oder hinterher?“ siegt am Ende immer die Neugier über die Skepsis.“ Nur übertreiben sollte man nicht: Einmal pro Woche mit der Maschine zu trainieren reicht, um den Spaß zu erhalten und die Pferde nicht zu überfordern.
Zu dem künstlichen Rind gesellen sich in den Sommermonaten auch echte Tiere. 2019 wird eine Rinderherde zum ersten Mal dauerhaft von Mai bis Oktober auf den Koppeln stehen. Die Leasing-Rinder kommen von der Hofmetzgerei Franz Ottilinger. Sie werden unter anderem bei Einzeltrainings zum Schwerpunkt Working Cowhorse und drei Rinderschnupperkursen dabei sein.
Fazit
Der Schritt weg vom Pensionsstall war zunächst ein unfreiwilliger und trotzdem genau der richtige im Fall von Sabine Olbrich und dem Holzpfeiferhof. Sie hält fest: „Lehrgänge sind noch eine echte Marktlücke und ich bin heute deutlich unabhängiger, die Arbeitsbelastung ist geringer, Organisation und Ablauf sind unkomplizierter, als ich dachte. Selbst alleine ist es mit den richtigen Kooperationspartnern gut machbar und da bin ich über unser eingespieltes Team bei den Lehrgängen sehr froh.“ Der Wind fegt beim Abschied dunkle Wolken heran, doch Jack und Sabine sind entspannt. Sie erwarten ihre Kursteilnehmer in heimeliger Atmosphäre und sind bereit für den Friesen- Ansturm.