In dieser Betriebsreportage stelle ich Ihnen einen Pferdebetrieb vor, in dem ich vor über zehn Jahren selbst schon einmal ein Studententurnier geritten bin: den Kranichsteiner Hof in Darmstadt.
Die Reitanlage gehört ebenso wie das benachbarte Jagdschloss Kranichstein zu den Liegenschaften des Adelshauses Hessen und wurde über viele Jahre vom Reiterverein Darmstadt betrieben.
Seit ungefähr einem Jahr ist eine Betreibergesellschaft unter der Führung des Unternehmers Markus Winkler Pächter der Reitanlage Kranichsteiner Hof. Vorausgegangen war ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen dem Haus Hessen, der Erbengemeinschaft, der neben dem Jagdschloss auch die Reitanlage gehört, und dem Reiterverein Darmstadt. Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung waren wie so oft Pachtzahlungen sowie Rechte und Pflichten aus dem Pachtvertrag. Ungewöhnlich war jedoch nicht nur die lange Dauer des Rechtsstreits, sondern vor allem die Tatsache, dass der Verein ihn bis vor den Bundesgerichtshof brachte. Dieser entschied in letzter Instanz allerdings zugunsten des Verpächters. Damit war klar, dass die ursprüngliche Konstellation mit einem Verein als Pächter für den Kranichsteiner Hof nicht mehr praktikabel war. Das Haus Hessen zeigte sich aber offen gegenüber der Vorstellung, dass weiterhin Pferde auf der Anlage blieben. In die Lücke, die aus der Ablehnung eines Vereins als Pächter entstand, sprang Markus Winkler, der als Einstaller auf dem Hof beheimatet war, ein. Er gründete die GmbH, die heute Pächter der Reitanlage ist.
Wie auf vielen anderen vereinsgeführten Anlagen hatte sich auf dem Kranichsteiner Hof im Lauf der Jahre ein Investitionsstau aufgebaut. Anders als vor 30 oder 40 Jahren, als viele Vereine Reitanlagen übernahmen, ist es mit der heutigen Risikobewertung von Banken für Vereine fast nicht mehr möglich, an günstige Kredite zu kommen. Die meisten Vereine können Reitanlagen bestenfalls erhalten, selten aber modernisieren. Das war in Kranichstein nicht anders und so war schon bei meinem ersten Besuch vor zehn Jahren vieles alt und nicht mehr zeitgemäß. Besucht man den Hof heute, fällt sofort auf, dass fast an allen Ecken modernisiert wird: Vor dem Reitplatz steht ein Bulldozer, hinter dem Verwaltungsgebäude wird der Boden für die neue Führanlage vorbereitet, die Stallgassen sind frisch gestrichen. Trotz dieser Bemühungen trüben die deutlich erkennbaren Spuren des Investitionsstaus den Reiz der schönen alten Gebäude.
Die Tatsache, dass der Kranichsteiner Hof unter Denkmalschutz steht, erhöht den Investitionsdruck weiter. Bis zu ihrem Tod 1997 protegierte Prinzessin Margaret den Reiterverein stark, indem sie beispielsweise die Jahrespacht immer wieder den Kassen des Vereins als Spende zukommen ließ – eine Praxis, die die Erbengemeinschaft nicht fortführte. In der Folge fehlten dem Verein zunehmend die finanziellen Mittel, um die Anlage in Schuss zu halten. Markus Winkler mit seinem Team trat also keine leichte Nachfolge an. Die vielen Jahre, die Markus Winkler an der Spitze eines Personaldienstleisters verbracht hat, tragen offensichtlich für die Modernisierungsarbeiten Früchte, denn beim Rundgang über die Anlage wirkt es so, als habe man die richtigen Prioritäten gesetzt. An zahlreichen Stellen ist zwar noch deutlich erkennbar, dass an der Reitanlage gründlich der Zahn der Zeit genagt hat, aber der Hof ist bereits deutlich pferdefreundlicher geworden, als es die alten Stallungen auf den ersten Blick vermuten lassen. Vor einem Stalltrakt wurden die Boxen um Paddocks erweitert, in einem anderen wurden die vorhandenen Boxen saniert und vergrößert. „So sollen bald alle Stallungen aussehen. Wir werden uns Stück für Stück vorarbeiten und einen Stalltrakt nach dem anderen sanieren“, erzählt Betriebsleiter Nico Troiano.
Aber nicht nur an den Stallungen hat sich einiges geändert: Die Turnierplätze sind bereits komplett saniert und mit neuen Böden ausgestattet. Die Dressurböden auf dem 30 x 70 Meter großen Turnierplatz und dem 30 x 60 Meter großen Vorbereitungsplatz legte die Firma Heus Reitplatzbau an. Auch bei der Sanierung des 100 x 70 Meter großen Springplatzes und des 30 x 50 Meter großen Spring-Vorbereitungsplatzes arbeitete man mit Experten aus der Region zusammen: Hier kam die Firma Gude aus Großostheim zum Zuge. Um die Kosten im Rahmen zu halten, wurden alle Plätze mit einem konventionellen Drei-Schicht-Aufbau gebaut, in Kombination mit einer Beregnungsanlage, die sich geschickt hinter der Holzumrandung versteckt. Sowohl der Springplatz als auch der Vorbereitungsplatz sind komplett mit neuen Holzzäunen und Toren der Firma Poda eingefasst. Ihre Feuertaufe haben die neuen Plätze bereits bestanden: Die ersten Turniere haben schon stattgefunden und in wenigen Wochen werden die Hessischen Meisterschaften auf dem Kranichsteiner Hof ausgetragen.