Neue Untersuchungen deuten darauf hin, dass nur das dünndarmverdauliche Rohprotein für Pferde nutzbar ist, was eine neue Bewertungsgrundlage der Proteine in Futtermitteln zwingend notwendig macht. Zukünftig wird nicht mehr das gesamtverdauliche Rohprotein von Futtermitteln als Masstab gelten, sondern der Anteil des im Dünndarm aufgenommenen und verdauten Rohproteins und der Anteil der für das Pferd lebensnotwendigen, im Dünndarm aufgenommenen essenziellen Aminosäuren. So soll bei Futtermitteln für Pferde künftig auch das Protein als pracaecal verdauliches Rohprotein (das vor dem Blinddarm über die Dünndarmschleimhaut aufgenommene Rohprotein) beziehungsweise die pracaecal verdaulichen Aminosäuren dargestellt werden. Entsprechendes gilt auch für die Darstellung der Bedarfswerte für Pferde. In Analogie der Neubewertung von Energie und Proteinen erfolgte auch eine Überarbeitung der Bedarfswerte an Mineralstoffen. Man fand heraus, dass zum Beispiel der Bedarf an Calcium wie auch an Natrium bisher überschätzt wurde. Auch die Versorgung mit notwendigen Spurenelementen und der Bedarf an fettlöslichen und wasserlöslichen Vitaminen wurden geprüft und entsprechend angepasst.
MJ vE je kg (Megajoule verdauliche Energie je kg Futtermittel |
MJ ME je kg (Megajoule metabolisierbare Energie je kg Futtermittel) |
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Heu, überstandig | 7,1 | 5,9 |
Stroh | 5,5 | 4,5 |
Hafer | 12,4 | 11,3 |
Wintergerste | 12,62 | 11,83 |
Mais | 13,64 | 12,85 |
Ergänzungsfutter Sportpferd | 10,24 | 9,11 |
Ergänzungsfutter Freizeitpferd | 9,13 | 8,56 |
Dringend anzuraten sind tierindividuelle Rationsberechnungen, um auf die veränderten Bedarfswerte tiergerecht eingehen zu können. Die Mischfutterindustrie reagiert auf die Neubewertung und passt die Beratungsunterlagen ihrer Produkte entsprechend an. Bei Bedarf empfiehlt sich eine produktbezogene Beratung, um Unterversorgungen, aber auch Überversorgungslagen zu vermeiden. Darüber hinaus sollte die derzeitig häufig stärkeorientierte Fütterung mit viel Hafer, Gerste oder Mais als Kraftfutter begrenzt werden, da die Aktivität des stärkespaltenden Enzyms Amylase beim Pferd eher gering einzustufen ist. Überversorgung mit Stärke kann Fermentationsschaden im Dickdarm (Kolikgefahr) beziehungsweise Magenschleimhautschaden (Gefahr von Magengeschwüren) hervorrufen. Als Grenzwert wird 1 g Stärke pro Kilogramm Lebendmasse und Mahlzeit angesehen. Zur Verdeutlichung: Hafer enthält etwa 40 Prozent Starke, das heißt 1 kg Hafer enthält rund 400 g Stärke. Ein Pferd von 500 kg sollte insgesamt nicht mehr als 500 g Stärke pro Mahlzeit erhalten. Hochleistende Pferde mit einem deutlich erhöhten Energiebedarf und somit einem hohen Krippenfuttereinsatz sollten viele kleine Mahlzeiten am Tag erhalten. Empfehlenswert sind dafür Kraftfutterautomaten. Auch der Einsatz von Futterfetten sollte auf 1 g Fett pro Kilogramm Lebendmasse und Tag begrenzt werden. Die neuen Bedarfswerte zur Versorgung von Pferden bringen eine Vielzahl von Neuerungen mit sich, die von den für die Fütterung Verantwortlichen umzusetzen sind. Viele Futterrationen müssen neu kalkuliert werden, da sie nicht den anatomischen, physiologischen oder ethologischen Ansprüchen der Pferde genügen. Im Zweifelsfall sollten Fütterungsberater oder Experten zurate gezogen werden.
Professor Dr. Dirk Winter, HfWU Nürtingen-Geislingen
TIPP: Ein Video mit Professor Dr. Dirk Winter zum Thema »Versorgungsempfehlungen für Pferde« finden Sie in unserer Mediathek.