Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hat eine Neuauflage der Broschüre „Tierschutz im Pferdesport – Leitlinien zu Umgang mit und Nutzung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten“ herausgebracht. Wie auch die Leitlinien zur Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten ist auch dieses Regelwerk nicht als Gesetz, sondern als Sachverständigengutachten zu verstehen. Die Überarbeitungen seien nach Stand aktueller wissenschaftlichem und aus Praxis resultierendem Kenntnisstand entstanden. Die vorherige Version war aus dem Jahr 2009. Bereits seit 2018 arbeiteten die Autoren an der Neufassung.
Ausbildungsbeginn festgelegt
Neu ist zum Beispiel, dass sich auf ein grundsätzliches Alter für den Beginn der disziplienbezogenen Ausbildung und den frühesten Turnierstart festgelegt werden konnte. So soll Ausbildungsbeginn frühestens mit 30 Monaten starten, der früheste Einsatz soll ab ab 36 Monate erfolgen. Kritik an den Leitlinien üben verschiedene Verbände daran, dass für Trabrenn- und Galopprennpferde weiterhin kein Mindestalter für Trainings- und Einsatzbeginn gilt. Dazu gehören der Deutsche Tierschutzbund, Provieh, der Bund gegen Missbrauch der Tiere, der Bundesverband Tierschutz, die Landestierschutzbeauftragten aus Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt, die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz sowie die Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland.
FN-Generalsekretär Sören Lauterbach sagte gegenüber FN-News zu diesem Thema: „Es bedeutet ja nicht, dass man zwangsläufig ein 30 Monate altes Pferd reiten muss. Es hängt immer davon ab, was das Pferd anbietet und was mit dem Pferd gemacht wird. Im Grunde kann man sagen: Wer sich an unsere Richtlinien für Reiten und Fahren hält, ist auf der sicheren Seite. Der Bereich Zucht der FN ist mit unseren Zuchtverbänden gerade dabei, vor dem Hintergrund der neuen Leitlinien das Kör-und Vorbereitungssystem hinsichtlich Vorbereitung, Vorauswahl, Dauer und Intensität zu überdenken. Das BMEL plant außerdem eine wissenschaftliche Untersuchung zum Thema. Eine Initiative, die wir sehr unterstützen.“
Zweifingerregel und Schlaufzügel
Außerdem halten die Leitlinien bezüglich des Nasenstücks am Zaum an der Zweifingerregel fest. Zwei Erwachsenenfinger sollten nebeneinander unter den Nasenriemen passen. Sie empfehlen, auf Korrektur- und Schlaufzügel zu verzichten. Falls sie doch eingesetzt werden, sollte es von erfahrener Reiterhand sein. Zusätzich heißt es in den neuen Leitlinien: “Maßnahmen, die zu einer Hyperflexion des Genicks oder Halses (sogenannte Rollkur) führen, sind tierschutzwidrig, da sie zu erheblichen Schmerzen, Leiden den oder Schäden bei den betroffenen Pferden führen.”
Streitpunkte in der Neufassung
FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach war an der Ausarbeitung der Leitlinien beteiligt. Ein kritisches Thema war seiner Meinung nach das Thema freie Bewegung auf Turnieren. Gefordert war, dass auch auf Turnieren freie Bewegung für Pferde gegeben sein müsste. Gegenüber FN-News hält er fest: „Das ist aber in den meisten Fällen nicht möglich und zuweilen sogar gefährlich für das Pferd, weil nicht überall genug Platz ist und sichere Zäune vorhanden sind. Es wäre also unverhältnismäßig gewesen und hätte das Aus für viele Veranstaltungen bedeutet, wenn diese Forderung durchgekommen wäre. Wir haben gut argumentiert und die Möglichkeit für eine kurzzeitige Abweichung von den Leitlinien für Veranstaltungen erreicht. Das heißt aber nicht, dass die Pferde dort 24 Stunden in der Box stehen dürfen. Wir stehen total dahinter, dass Pferde täglich freienAuslauf bekommen. Auf einer Veranstaltung muss diese ersetzt werden durch zum Beispiel longieren, grasen oder spazieren gehen. Das ist dann neben dem Reiten Pflicht, damit das Pferd auch auf der Veranstaltung ausreichend Bewegung bekommt.”
Nur in dieser Kombination sei es vertretbar, auf Veranstaltungen beim Thema freier Bewegung kurzzeitig von den Leitlinien abzuweichen. Außerdem müssten die Stallzelte den Haltungsleitlinien entsprechen.
Distanzierungen
Beteiligt an der Aktualisierung der Leitlinien waren insgesamt 18 Autorinnen und Autoren aus verschiedenen Bereichen. Aufgrund einiger strittiger Punkte dauerte die Veröffentlichung länger als zunächst geplant. Einigkeit herrschte noch immer nicht in allen Punkten. So gaben die Vertreter der Tierschutzverbände, der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz, der Landestierschutzbeauftragten sowie der Vertreter der Länder Berlin und Hessen fünf Punkte zu Protokoll, in denen sie sich von der in den Leitlinien vorliegenden Formulierung distanzieren wollten. Die Vertreter der FN und des Verbandes für Vollblutzucht und Rennen gaben eine Unstimmigkeit zu den bestehenden Leitlinien zur Pferdehaltung zu Protokoll.