Auf der Suche nach einem Grundfutter
Heu ist Basis der Pferdefütterung und vieler Rationsplanungen. Doch es gibt Tiere, die auch das qualitativ hochwertigste Heu nicht vertragen. Was dann? Pferdebetrieb hat sich bei Experten über gängige Alternativen zur Heufütterung informiert und herausgefunden, dass in Dürrejahren so manche auch für gesunde Pferde in Betracht kommen. Außerdem haben wir Tipps, wie es mit der Heuwerbung auch in extremen Jahren funktionieren kann.
„Macht Luzerne dick?“, „Cobs? Da weiß man doch nicht, was drin ist!“ und „Heulage – ist das nicht wegen Botulismus zu gefährlich?“ – viele Pferdehalter sind ratlos, wenn klassisches Heu als Grundfutter ausscheidet. Über einige Alternativen kursieren Gerüchte oder herrschen Vorurteile. Was dran ist an den Geschichten, welche Gründe es gibt, auf Heu zu verzichten, und welche Alternativen für welche Zwecke sinnvoll sind, hat Pferdebetrieb zusammen mit Experten geklärt. Fest steht, dass Heu seinen hohen Stellenwert in der Pferdefütterung ganz zu Recht hat. Davon gehen viele Rationsberechnungen aus und es lohnt sich, auf hochwertiges Heu als Grundfuttermittel zu achten. Dennoch kann es Gründe geben, die einen Verzicht auf Heu nahelegen.
Gründe, auf Heu zu verzichten
Ein bekannter Grund, der Heu als Basisfutter problematisch macht, sind Unverträglichkeiten. Hier gibt es zum einen die relativ bekannte Stauballergie, zum anderen gibt es Fälle, in denen Pferde auf das Heu selbst allergisch reagieren. Auch wenn Wetterkapriolen wie lange Hitzephasen oder Starkregen die Heuvorräte schrumpfen lassen, muss man sich nach Alternativen umsehen. Professor Dr. Martin Elsäßer ist am Landwirtschaftlichen Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden-Württemberg (LAZBW) für den Fachbereich Grünland zuständig und sagt: „Alternativen wie Silagen oder etwas trockenere Heulagen können sinnvoll sein, wenn die Wetterbedingungen so sind, dass nicht genügend trockene Tage für eine Heuwerbung zur Verfügung stehen.“ Auch dieses Jahr ist das Wetter in vielen Regionen alles andere als ideal für die Heuwerbung. Aufgrund der enormen Trockenheit kann in einigen Gebieten Deutschlands die Heu- und Strohernte extrem schlecht ausfallen. Die Folgen: Die Marktpreise steigen und mancherorts kann es sogar Schwierigkeiten geben, überhaupt genügend Heu aufzutreiben, das den Anforderungen der Pferdefütterung gerecht wird. So mancher Heuballen gleicht auf den ersten Blick eher einem Strohballen und verspricht nicht die nötigen Nährstoffe fürs Pferd.
Dem Wetter ein Schnippchen schlagen
Viele Landwirte rätselten 2018, ob das Erntejahr eine düstere Ausnahme blieb oder ob man es als neuen Standard akzeptieren muss. Prof. Dr. Elsäßer prognostiziert: „Die Landwirte müssen sich wohl oder übel auf solche Lagen einstellen. Das bedeutet: Vorräte bilden, um vor allem Weidephasen mit schlechtem Wachstum ausgleichen zu können.“ Nicht nur Trockenheit führt bei der Heuwerbung zu Schwierigkeiten, auch zu viel Regen kann fatal sein. Wenn das Wetter nicht beständig genug ist, um Heu zum optimalen Zeitpunkt zu schneiden, stehen Landwirte vor einem Problem. Eine mögliche Lösung sind Heutrocknungsanlagen, besonders bequem ist eine solche Anlage im eigenen Betrieb. „Es gibt zum einen Losetrocknungen in der Heubox. Bei der Rundballentrocknung werden Rundballen auf sogenannte Trocknungslöcher gestellt und von unten mit erwärmter Luft durchströmt und so getrocknet“, erläutert Florian Gollob von Lasco Heutechnik. „Das Heu wird beim Trocknungsprozess immer mit trockener Luft durchströmt. Die benötigte Luft- und Druckmenge produziert dabei ein Ventilator“, erklärt der Experte das Prinzip. Neben der individuellen Lösung im eigenen Betrieb, der Lagertrocknung mit warmer Luft, gibt es vielerorts die Möglichkeit, Frischgras in einer Genossenschaft bei deutlich höheren Temperaturen trocknen zu lassen. Die Funktionsweisen und die Anforderungen an das geschnittene Gut unterscheiden sich. Wo die Trocknungsanlage auch steht, ob in der Genossenschaft oder im eigenen Betrieb, sie birgt neben der höheren Flexibilität beim Schnitt noch weitere Vorteile: „Generell wird Heu deshalb maschinell getrocknet, um die wichtigen Vitamine und Nährstoffe möglichst verlustfrei auf den Futtertisch zu bringen. Außerdem wird das Risiko von Schimmelbildung deutlich reduziert. Das Heu behält seine grünliche Färbung, da ein höherer Beta-Carotin-Anteil erhalten bleibt“, erläutert Florian Gollob. Jennifer Kilian weist auf weitere Qualitätsmerkmale hin: „Bröckelverluste, vor allem bei Kräutern, entstehen durch die frühe Abfuhr kaum. Zudem lässt sich der Nährstoffgehalt durch die höhere Flexibilität des Schnittzeitpunktes besser steuern.“
Silage versus Heulage
Silage und Heulage haben sich bereits in vielen Betrieben als Grundfuttermittel etabliert. Nach Erfahrung des Grünlandexperten Prof. Dr. Elsäßer haben inzwischen vor allem die großen Pferdebetriebe umgestellt. Und wo liegt noch mal der Unterschied? Elsäßer erklärt: „Silage und Heulage unterscheiden sich durch den Gehalt der Trockensubstanz und der Säurebildung. Silage ist feuchter, hat mehr Säure und riecht stärker. Sie ist dadurch lagerstabiler, wenn sie mal geöffnet ist. Heulage ist wesentlich trockener und bildet daher weniger Säure. Liegt Heulage lange offen da, kann sich Schimmel bilden.“ Letztere sollte also zügig verbraucht werden. Heulage wird von einigen Herstellern wie Westfalengras und Luckylage speziell für die Pferdefütterung produziert. Christoph Stiehm sagt: „Zusammenfassend sind die wesentlichen Vorteile unserer Heulage die Eignung des Futters bei Pferden mit Allergien oder Hustenkrankheiten, die pferdegerechte Qualität unseres Futters, die wir auch von einem externen akkreditierten Prüflabor bestätigen lassen. Außerdem sind da die Haltbarkeit und die praktikablen und wirtschaftlichen Vorteile des Miniballen-Formats.“ Ein trockener Lagerraum ist nicht zwingend nötig, allerdings sollten die Verpackungen der Ballen vor Löchern bewahrt werden. Thomas Lutsch von Luckylage nennt einen weiteren Vorteil: „Heulage ist gehaltvoller als Heu. Die Kraftfuttergabe kann dadurch reduziert werden.“ Laut den Experten kann Heulage Heu eins zu eins ersetzen. Christoph Stiehm empfiehlt, eine Übergangsphase von vier bis fünf Tagen einzuhalten. Trotz der genannten Vorteile sind einige Pferdehalter skeptisch bezüglich Heulage und Silage. Sie fürchten, die Tiere könnten sich mit bedrohlichem Botulismus anstecken. Prof. Dr. Elsäßers Einschätzung dazu: „Das Risiko ist unwidersprochen vorhanden. Es ist allerdings kleiner als meist befürchtet, sonst würden viele Rinder sterben.“ Die beste Vorkehrung sei, sauber und gewissenhaft zu arbeiten. Zur Sauberkeit und Qualitätskontrolle allgemein sagt Thomas Lutsch: „Wichtig ist, dass die Flächen nicht mit Mist, Gülle, Substrat oder Geflügelkot gedüngt werden. Außerdem müssen die Erntemaschinen richtig eingestellt sein.“ Nach dem Pressen sollte der Ballen sofort eingewickelt werden. Zum sorgfältigen Arbeitsprozess, um Botulismus zu vermeiden, gibt Christoph Stiehm an: „Der Schutz von Wildtieren wie Rehkitze vor dem Mähtod ist uns ein besonderes Anliegen. Wir arbeiten eng mit unseren Jagdpächtern vor Ort zusammen, um die Flächen vor der Mahd nach Wildtieren abzusuchen.“ Der letzte Schritt sei dann eine Qualitätskontrolle vor dem Verpacken.
Einweichen bitte? Cobs und Flakes
Eine weitere Alternative, die sich ebenfalls für staubempfindliche Tiere eignet, sind Cobs und Flakes, beispielsweise Heucobs von Lexa/Atcom oder Wiesencobs, Falkes und die Pre-Alpin-Reihe von Agrobs. Lisa Heck von Lexa/Atcom erklärt: „1 kg Cobs kann, abgewogen in trockenem Zustand, bis zu 1,2 kg des Heus ersetzen beziehungsweise die Heuration entsprechend ergänzen.“ Die Produkte beider Hersteller sollten vor dem Füttern mit ausreichend Wasser durchweicht werden. Daniela Hanke von Agrobs nennt Vorteile des Einweichens: „Es fördert automatisch die Flüssigkeitsaufnahme des Pferdes und auch Pferde mit Atemwegsproblemen kommen durch die feuchte Darreichungsform besser mit Heuersatzprodukten dieser Art zurecht. Müssen Medikamente verabreicht werden, können diese einfach untergemischt werden, ohne dass ein Aussortieren riskiert wird.“ Die empfohlene Einweichzeit der Produkte variiert zwischen fünf Minuten und einer halben Stunde. Daniela Hanke warnt davor, die Produkte bei sehr warmen Außentemperaturen länger als drei Stunden einzuweichen, und erläutert: „Bei einer längeren Einweichzeit beginnen erste Gärprozesse.“ Mühldorfer hat neben Bio-Cobs, die ebenfalls eingeweicht werden sollten, auch spezielle Heucobs im Programm, die staubfrei sind und trocken verfüttert werden können. Maike Hänle von Mühldorfer erklärt: „Durch die besondere Verarbeitung kommt es – ähnlich wie man es von einem Leckerli kennt – zu einem verzögertem Schluckreflex. Durch das intensive Kauen werden die Heucobs besonders gut eingespeichelt, dank der hohen Speichelbildung bildet sich im Magen ein optimales Säure-Basen- Verhältnis.“ Außerdem seien die Pferde durch die Trockenfütterung lange beschäftigt. Wer nicht einweichen möchte, kann auch auf Faserfutter, zum Beispiel von Agrobs, setzen. Gemein ist den drei Anbietern, dass sie die Rohstoffe ihrer Produkte aus Deutschland beziehen.
Luzerne und Timothee-Heu
Sie wird auch die Königin der Futterpflanzen genannt, kommt Pferdehaltern als Heualternative aber selten in den Sinn: die Luzerne oder Alfalfa. Lexa/Atcom bieten die Pflanze als Cobs oder in Faserform an. Mühldorfer hat Luzerne als Pellets im Programm. Lisa Heck nennt uns einige Vorteile der Futterpflanze: „Luzerne zeichnet sich durch ihr wertvolles Eiweiß, den besonders hohen Anteil an essenziellen Aminosäuren sowie durch ihr Beta-Carotin und das hochverfügbare Calcium aus. Sie liefert zudem einen hohen Rohfaseranteil und ist somit sehr schonend für den gesamten Magen- Darm-Trakt.“ Luzerne eigne sich auch wunderbar als Energielieferant für Pferde, die kein Getreide vertragen. „Wir empfehlen Luzerne zur Auffütterung magerer Pferde, weil sie besonders nährstoffreich ist“, ergänzt Maike Hänle. Wer fürchtet, Luzerne könnte das Pferd zu dick machen, kann beispielsweise zu Luzerne-Fasern von Lexa/Atcom greifen. Lisa Heck erklärt: „Die haben nur einen mäßigen Energiegehalt und sind gleichzeitig zuckerarm.“ Timothee-Gras ist laut Lisa Heck weicher als die Luzerne-Fasern: „Durch den hohen Halmgehalt muss es trotzdem länger gekaut werden. Es eignet sich zum Beispiel als Kraftfutterersatz für leichtfuttrige und Stoffwechselempfindliche Pferde oder als Heuersatz.“ Timothee, auch Wiesenlieschgras, wächst laut Prof. Dr. Elsäßer sehr spät und ist besonders winterhart. Gefressen werde es in der Regel gerne.
Alternativen kennen
Der Marktüberblick zeigt, dass es sich für Pferdehalter lohnt, neugierig zu sein und Alternativen zu klassischen Varianten kennenzulernen. Aufgrund der schlechten Ernte könnten Pferdehalter dieses Jahr Schwierigkeiten haben, immer qualitativ hochwertiges Heu für ihre Tiere zu bekommen. Prof. Dr. Elsäßer empfiehlt, rechtzeitig Futter zu kaufen, und prognostiziert: „Es kann noch einige Engpässe beim Futter geben und dann wird in der Regel der Preis für Zukauffutter ansteigen.“ Unabhängig von der Ernte ist es für Halter von Allergiker-Pferden immer sinnvoll, Alternativen in Betracht zu ziehen.
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