Interview mit Dr. Wolfgang Friedl, Experte für Brandschutz:
Ein Feuer kann auf Pferdebetrieben innerhalb weniger Augenblicke eine Existenz zerstören, auf die bereits Generationen hingearbeitet haben. Dabei gelten landwirtschaftliche Betriebe wie Reitanlagen als besonders gefährdet. Im Interview gibt es mehr Infos zum Thema Brandschutz auf Pferdebetrieben.
Brandgefahr auf Pferdebetrieben
Pferdebetrieb: Welche besonderen Brandgefahren gibt es auf Pferdebetrieben?
Dr. Wolfgang Friedl: In Pferdeställen begegnen einem häufig nicht geprüfte oder völlig veraltete Elektroanlagen und Elektrogeräte. Außerdem betreiben Einsteller Elektrogeräte wie Wasserkocher in einigen Ställen sehr unvorsichtig. Auch Vor-Ort-Heizgeräte, die nicht geprüft sind oder sich Brandlasten wie Holvertäfelungen nähern, gibt es häufig. Dazu kommen veraltete und brandgefährliche Beleuchtungsanlagen, Staub und Spinnenweben oder Kühlschränke, die zugestellt sind. Ganz speziell für Pferdebetriebe sind feuergefährliche Arbeiten von Hufschmieden und auch vom achtlosen Umgang mit Zigaretten geht eine enorme Gefahr aus.
Weitere allgemeine Gefahren sind Brandstiftung, fehlende Ausbildung bzw. Sensibilisierung der Mitarbeiter hinsichtlich Brandschutz sowie direkter Blitzeinschlag. Auch Selbstentzündung von Heu oder PV-Anlagen auf dem Dach sind eine Brandgefahr, die ernstgenommen werden sollte.
Pferdebetrieb: Von eingelagertem Heu und Stroh geht eine enormes Gefahrenpotenzial aus. Was können Betriebsleiter tun, um dieses zu verringern?
Dr. Wolfgang Friedl: Klar sollte sein: Wenn es in einem Heu- oder Strohlager zu einem Brand kommt, ist dieser nicht mehr löschbar. Denn Feuer, Rauch und Hitze verbreiten sich so schnell, dass ein Löschen nur noch für die Feuerwehr möglich wäre. Doch die kommt in der Regel erst nach einigen Minuten – und dann ist es in der Regel schon zu spät. Also muss man für räumliche Distanz zwischen dem Stallgebäude, wo die Pferde sind, und der Lagerung sorgen, durch Brandabschnitte. Alternativ ist eine bauliche Distanz, indem man eine feuerbeständige Wand oder eine Brandwand vertikal zwischen den Pferden und dem Heu einrichtet. Hier wäre es fundamental wichtig, dass die in der Wand enthaltene Brandschutztüre intakt und geschlossen ist – üblicherweise wird sie im Alltag aufgekeilt.
Pferdebetrieb: Gibt es einheitliche Regeln zu Blitzschutzschaltern?
Dr. Wolfgang Friedl: Nein, die Versicherungen fordern so etwas meist nicht und die Bauordnung ebenfalls nicht. Hintergrund dafür ist, dass Pferdeställe meist vertikal niedrig und damit weniger blitzschlaggefährdet sind, als Gebäude mit mehreren Etagen. Auch gilt der Inhalt als nicht „besonders schützenswert“ – auch wenn Pferdebesitzer das anders sehen.
Notfall- und Evakuierungspläne
Pferdebetrieb: Vorbereitung ist alles. Was sollten Pferdebetriebe in einem Notfall- und Evakuierungsplan für den Brandfall erfassen und beachten?
Dr. Wolfgang Friedl: Pferde sind Fluchttiere – d.h. bei Gefahr laufen sie weg und schlagen aus. Da Pferde im Falle der Boxenhaltung aber nicht weglaufen können, geraten sie in Panik, wenn der tödliche Rauch kommt. In diesem Zustand können sie Menschen gefährden. Ideal wäre es, wenn man von außen jedem Pferd zur Flucht verhelfen könnte. Doch das ist meist illusorisch. Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass zum einen durch Entrauchungsanlagen weniger Rauch und Hitze entsteht und diese schnell abgegeben werden kann und zum anderen, dass es genügend Personen gibt, die schnell vor Ort sind und den Pferden die Flucht ins Freie ermöglichen können. Ist das Gelände eingezäunt, ist die Situation einfach. Doch wenn die Pferde über die nächste Straße in ein Fahrzeug laufen, müssen wir anders planen.
In Notfallpläne gehören Abläufe und eindeutige Zuständigkeiten für folgende Fragen:
- Wer ruft die Feuerwehr?
- Wer löscht?
- Wo sind Löscher, fahrbare Löscher, Schläuche?
- Wer aktiviert die Entrauchungsanlage?
- Wer öffnet die Türen, um jedem Pferd die Flucht zu ermöglichen?
- Ab wann riskiert man sein Leben als Mensch nicht mehr für die Tiere?
- Wer holt Dritte zu Hilfe, die vor Ort oder in der Nähe sind?
- Wer betreut die Pferde im Freien?
Pferdebetrieb: Worin unterscheiden sich die Notfallpläne für Boxen- und Offenstallhaltung?
Dr. Wolfgang Friedl: Offenstallhaltung ist, brandschutztechnisch gesehen, im Brandfall erst einmal harmlos. Gewiss, ein Pferd kann in Lebensgefahr sein, wenn das Heu und Stroh unterhalb der vier Füße brennt, aber die anderen erst einmal nicht. Das ist in der Boxenhaltung gänzlich anders, hier sind zügig alle Pferde lebensbedroht und zwar aufgrund des tödlichen Rauchs.
PV-Anlagen
Pferdebetrieb: Inwieweit muss eine Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) in die Pläne miteinkalkuliert werden?
Dr. Wolfgang Friedl: PV-Anlagen stellen eine wirklich große Brandgefahr dar, denn sie werden meist nicht gewartet. Außerdem sollten erstklassige Handwerker die Installation vorgenommen haben geht eine große Brandgefahr von PV-Anlagen aus. Denn diese Anlagen sind dann ohne brandschutztechnische Abtrennung direkt mit den Pferden verbunden. Kommt es zu einem Brand, z.B. aufgrund eines Marderbiss, durch Schneedruck, Stromnetzüberlastung oder Problemen beim Wechselrichter und scheint gleichzeitig weiterhin Sonne auf die Anlage, kommt es zügig zu einem Vollbrand.
Solche Anlagen sind grundsätzlich umweltfreundlich. Kommen sie auf die Dächer von Pferdeställen, ist aber die Bedeutung einer automatischen und zügigen Entrauchung und zügigen Evakuierung noch größer.
Redaktions-Tipp: Eine Check-Liste zum Thema Brandschutz haben wir hier für Sie zusammengestellt.
Der Experte
Dr. Wolfgang Friedl ist seit 1986 als Sicherheits- und Schadensingenieur tätig. Er erstellt Brandschutz-Konzepte für
Gebäude, ist Gutachter und neutraler Unternehmensberater für alle Zweige der Industrie, Wirtschaftsunternehmen
und Versicherungskonzerne. Als Pferdebesitzer und Einsteller kennt er auch die besonderen Gegebenheiten
auf Reitanlagen genau.